Die Immunitätskommission des Nationalrats hat einen Entscheid für und einen gegen den Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner getroffen. Im Fall eines mit künstlicher Intelligenz generierten Internetvideos soll gegen Glarner ermittelt werden dürfen.
Die Kommission ist der Auffassung, dass in diesem Fall das Interesse des Opfers und die Schwere der Straftat höher zu gewichten sind als die Meinungsäusserungsfreiheit im Rahmen von Wahlkampagnen. Mit 5 zu 4 Stimmen beschloss sie, die Immunität von Glarner aufzuheben. Das teilten die Parlamentsdienste am Freitag mit.
Es ging um ein Video, das Glarner im Wahlkampf 2023 teilte. Die Basler Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan äusserte sich in diesem sogenannten Deepfake-Video angeblich zu «kriminellen Türken» und rief zur Wahl der SVP auf. Arslan zeigte in der Folge Glarner an.
Sie warf Glarner unter anderem vor, ihre Identität missbraucht zu haben. Das ist ein Tatbestand, der erst seit September 2023 im Schweizerischen Strafgesetzbuch verzeichnet ist. Erstmals befasste sich die IK-N, wie die Kommission abgekürzt heisst, gemäss eigenen Angaben mit einem solchen Video.
Nach ihrem Entscheid geht das Geschäft nun an die Rechtskommission des Ständerats (RK-S), welche bei der kleinen Kammer für solche Gesuche zuständig ist. Entschieden ist also noch nichts. Sollte die Ständeratskommission ebenfalls für Aufhebung der Immunität stimmen, könnte die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten AG ermitteln.
Die Staatsanwaltschaft gab im März bekannt, dass sie in Bern ein Gesuch um Aufhebung der Immunität Glarners eingereicht habe. Das Video hatte schon die Basler Justiz beschäftigt. Das Zivilgericht verurteilte Glarner im November 2023 wegen einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Arslan zu einer Busse.
Zum zweiten Mal nach November des vergangenen Jahrs beschäftigte sich die IK-N am Freitag mit einem Beitrag Glarners auf dem Kurznachrichtendienst X. Der Aargauer Nationalrat formulierte darin die Frage, ob es nicht langsam Zeit sei, einer Religion Einhalt zu gebieten, deren Angehörige Forderungen beispielsweise nach Sonderrechten, Minaretten und so weiter durch Sprengstoffanschläge Nachdruck verliehen. Glarner versah diesen Post auch mit dem Slogan «Stoppislam».
Die bernische Justiz ersuchte in der Folge um die Ermächtigung, gegen Glarner wegen Verdachts auf Diskriminierung und Aufruf zu Hass gemäss Anti-Rassismus-Strafnorm ermitteln zu können.
Noch im vergangenen November fand die IK-N, bei solchen Beiträgen in sozialen Medien sollten Mitglieder der eidgenössischen Räte nicht pauschal gegenüber normalen Bürgerinnen und Bürgern privilegiert werden. Glarners Äusserungen seien zu allgemein gehalten, um eine Verbindung zu Ratsgeschäften zu haben. Glarner solle durch die parlamentarische Immunität nicht geschützt werden.
Nun ist die IK-N aber auf die Linie der Rechtskommission des Ständerats eingeschwenkt, welche sich im Februar dieses Jahres damit beschäftigte. Die Nationalratskommission findet nun, dass Glarners Äusserung in einem unmittelbaren Zusammenhang zu seinem parlamentarischen Mandat steht.
«Wenn sich Parlamentsmitglieder mit solchen Inhalten an die Öffentlichkeit wenden, muss in den Augen der Kommission grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie dies in ihrer Funktion als Ratsmitglieder tun, da sie von der Öffentlichkeit in dieser Rolle wahrgenommen werden», heisst es dazu.
Formaljuristisch gesprochen, trat die IK-N auf das Gesuch der Berner Staatsanwaltschaft ein, beschloss aber anschliessend mit 6 zu 3 Stimmen, die Immunität von Andreas Glarner nicht aufzuheben. Auch dieser Fall geht nun in die Rechtskommission des Ständerats, die entscheiden wird, ob Glarners Immunität aufgehoben wird oder nicht. (dab/sda)